Aus offensichtlichen Gründen liegt das Projekt Gutbürger.Reisen weiterhin in einem Dornröschenschlaf. Offenbar seid ihr angesichts der Pandemie weiterhin sehr zurückhaltend, und das ist auch okay. Schon vor der Pandemie galt unter Klimagesichtspunkten: „Nicht reisen ist immer besser als rücksichtsvoll reisen.“ Heute gilt das um so mehr!

Falls euch irgendwann dann doch wieder die Reiselust packt: Das Angebot hier steht, das Angebot bleibt: Ihr bucht. – Ich kompensiere.

Bis dahin konzentriere ich mich im Homeoffice auf meinen Hauptjob und mache nebenbei ein bisschen Kommunikation. Neulich hatte ich eine sehr spannende Anfrage von einer Schülerin der deutschen Schule Ungarn. Sie musste für ihr Sprachdiplom ein Interview machen. Vielleicht interessiert dich das ja auch:

Budapest, Ungarn
Was denken Sie im Allgemeinen über den sanften Tourismus?

Im Rahmen der weltweiten Bestrebungen zur Klimaneutralität und des Artenschutzes muss natürlich auch der Tourismus kritisch hinterfragt und ggf. reguliert werden.

Inwieweit ist er durchzuführen? Wo sind die Grenzen des sanften Tourismus?

Tourismus hat ja immer von vornherein einen Zielkonflikt: Unter ökologischen Gesichtspunkten ist „nicht reisen“ immer besser als jede Reise, egal wie sanft sie ist. Deswegen ist es neben der Klimaneutralität wichtig, konkret vor Ort zu steuern, was dort ökologisch vertretbar ist. Das müssen Leute tun, die in keinem Wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Tourismusindustrie stehen.

Es existiert oft auch ein Anspruch, sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen vor Ort fair sind. Das finde ich jedoch problematisch. Sollte Tourismus tatsächlich irgendwo nicht mehr stattfinden, weil Arbeitnehmerrechte zu kurz kommen, dann stirbt dort einfach die lokale Tourismusindustrie. Dann sind die Arbeitnehmerrechte auch egal, wenn es keine Arbeitnehmer mehr gibt. Ich sehe die Kontrolle der Arbeitnehmerrechte als klare Aufgabe der Politik und der Presse. Über Konsumverhalten kann man das aus meiner Sicht nicht steuern. Undemokratische Staaten touristisch zu boykottieren kann aus meiner Sicht sogar kontraproduktiv sein: Tunesien hätte ohne die Entwicklungen durch den Tourismus keinen arabischen Frühling erlebt. Auch in der Türkei sind die Tourismusregionen wesentlich entwickelter und progressiver als das Hinterland.

Hat diese Reisealternative eine Zukunft? Was für eine Bedeutung hat sie in der Zukunft?

Reisen komplett abschaffen oder nachhaltige Lösungen finden, andere Optionen gibt es langfristig nicht.

Funktioniert sanfter Tourismus wirklich als Gegenentwurf zum Massentourismus?

Der Massentourismus muss sanft werden, oder Reisen wird zum reinen Luxusprodukt. Es ist auch nicht unbedingt so dass „groß“ immer auch schlecht ist. Große, moderne Hotelanlagen haben mitunter eine wesentlich besser Ökobilanz als kleine Unterkünfte, weil sie zum Beispiel effektiver beheizt werden können und weil Versorgungswege effektiver genutzt werden.

Wie effektiv oder beliebt ist diese Reiseart unter den deutschen Einwohnern?

Das ist schwer zu sagen, weil es ja keine klare Linie gibt. Grundsätzlich ist eine eigentümergeführte Ferienwohnung ja ziemlich sanft, wird aber nicht als sanftes Produkt vermarktet. Wenn man nur auf den Aspekt Klimaneutralität schaut, dann sagen 70% der deutschen Kunden, dass ihnen diese Aspekt bei ihren Reisen wichtig ist, tatsächlich kümmern sich aber nicht einmal 3% der Urlauber aktiv um die Kompensation der durch ihrer Reise verursachten Klimagase.

Was empfehlen Sie den Reisenden, die sanft reisen wollen?

Wege minimieren. Es muss nicht jedes Jahr ein anderer Kontinent sein. Alle anderen Faktoren kann man durch persönliche Entscheidung jedoch kaum beeinflussen. Wenn es das Budget zulässt, dann kann man auf entsprechende zertifizierte Veranstalter wie zum Beispiel aus dem „Forum anders Reisen“ https://forumandersreisen.de . Alles weitere liegt aber aus meiner Sicht vor allem in der Zuständigkeit der lokalen Politik. Ich hoffe dass die Reiseländer das in Zukunft auch zur Eigenvermarktung nutzen, bislang sehe ich da allerdings wenig. Vielleicht aktuell aber zum Beispiel Portugal, die ja letzte Woche den Kohleausstieg verkündet haben.

Hat Deutschland vor, neue Maßnahmen im Bereich des nachhaltigen Reisens zu treffen?

Bis auf einen Bepreisung der CO2 Emissionen sehe ich da wenig. Das Radwegenetz wird weiter ausgebaut, was gut ist. Die Bahnstrecken werden schrittweise auch verbessert, aber viel zu langsam.

Gibt es zu der Zeit der Pandemie sowohl Auswahl als auch Nachfrage des sanften Tourismus?

Eher indirekt: Auslandsreisen waren lange verboten, die Leute haben zusätzlich auch viele Trips vermieden, um im Falle einer Infektion nicht krank im Ausland zu verbleiben.

Wie hat die Pandemie die Nachfrage des Ökotourismus verändert?

Das kann ich derzeit noch nicht absehen.

Dann, hat doch wirklich das nachhaltige Reisen eine Zukunft?

Wie in allen anderen Industrien auch gibt es einen akuten Handlungsdruck um Klimaneutralität und Naturschutz zu gewährleisten. Die Frage ist nicht ob, sondern wann.

Sind alle drei Ziele (ökologische, ökonomische, soziokulturelle) des sanften Tourismus in Deutschland zu verwirklichen? Falls Ja, könnten Sie einige hervorragende Beispiele nennen, die Sie mir empfehlen würden?

Ich bin vor kurzem eine ganze Woche gewandert. Das war sicher sehr nachhaltig, aber das ist wahrscheinlich nicht für Jeden etwas. Fahrradreisen werden allerdings immer beliebter! Die Radwege in Deutschland haben eine sehr hohe Qualität, und dank Handynavigation findet man auch immer ans Ziel. Zum Teil sind die Wege leider aber bereits überlastet.

Ansonsten, so seltsam das auch erstmal klingt: Städtereisen sind im Vergleich sehr sanft! Der Grund: Man kann mit der Bahn anreisen, man kann vor Ort den Nahverkehr nutzen, man hat kurze Wege und die Hotels arbeiten sehr effizient innerhalb des lokalen Versorgungsnetzes.

Gab es einige Beispiele dafür, dass der Begriff „Sanfter Tourismus“ nur als Marketinginstrument benutzt wurde? (vielleicht Skandale)

Das würde ich so nicht sagen. Das Problem ist eher, dass vielen Touristen gar nicht bewusst ist wie problematisch ihre Reisen, zum Beispiel Kreuzfahrten, tatsächlich sind.


Mir ist bewusst dass das zum Teil sehr kurz gefasst ist und durchaus auch kontroverse Standpunkte enthält. Hast du Anmerkungen oder Verständnisfragen, dann nutze doch gern die Kommentarfunktion!


Christoph

Gründer von GutBürger.Reisen

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